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Wie Sie mit skandinavischen Tricks glücklich durch trübe Tage kommen.

„Also wer seine Laune vom Wetter beeinflussen lässt, der hat hier sowieso schon verloren. Das hier ist nicht Capri.“ Das leuchtet mir ein. Ich sitze im schwedischen Sommer auf der Terrasse des typisch rot gestrichenen Hauses von Tilmann Bünz, langjähriger Skandinavienkorrespondent. Feiner Nieselregen verteilt sich leise aus grauen Wolken auf die glänzenden Blätter schwedischer Natur. Am Wetter kann es tatsächlich kaum liegen, dass die Schweden ihren Stammplatz unter den Top 10 der glücklichsten Ländern der Welt seit Jahren behaupten

Wie muss das hier wohl im Winter sein?

Tilmann Bünz, Skandinavienkorrespondent

Maike van den Boom im Gespräch mit Tilmann Bünz – Skandinavienexperte und langjähriger Korrespondent der ARD

„Schweden ist das ideale Land für starke Wettereindrücke. Und es gibt sie tatsächlich, die Menschen die die Kälte und Dunkelheit lieben.“ fährt Bünz fort. „Auf einmal hat man diesen wahnsinnigen Winter mit all seinen Kinderfreuden, die man erleben kann. Man kann auf der Ostsee spazieren, einen schwedischen Glühwein auf dem Eis trinken und genießen, dass man wieder zurück zur Natur gekommen ist. Das sind echte Glücksmomente!«

Glücksmomente, die wir bei den ersten Anzeichen der nasstrüben Jahreszeit spontan zu verlieren scheinen. Wie jedes Jahr schlägt uns langsam Tag für Tag die Dunkelheit und Kälte auf unser deutsches Gemüt. Zumindest bei 23 Prozent unserer Mitmenschen nach der „Bleib locker, Deutschland!“-Stressstudie der Techniker Krankenkasse.

Verantwortlich für die triste Stimmung unter der viele von uns leiden ist vor allem der Lichtmangel. Zum einen produziert der Körper dadurch vermehrt das träge machende Schlafhormon Melatonin. Zum anderen werden weniger Serotonin und Endorphine ausgeschüttet. Diese Botenstoffe wirken wiederum stimmungsaufhellend auf die Menschen. Wenn sie fehlen, fühlen wir uns häufig lustlos.

Kaum vorzustellen wie es den nordischen Ländern ergehen muss, bei denen sich die Sonne teilweise monatelang nicht über den Horizont bequemt.

Nun. Es geht ihnen gut. Weder die Dänen, Schweden, Isländer noch die Norweger oder Finnen scheinen sich von Kälte und Dunkelheit besonders beeindrucken zu lassen. Im Gegenteil. Sie gehören zu den glücklichsten Ländern der Welt.

Wie lautet ihr Geheimnis?

 

Raus in die Natur!

Auf meiner Reise durch die 13 glücklichsten Länder der Welt treffe ich Abends Aron, einen blondgelockten Segler im Hafen der Stadt Trømso hoch oben im Norden Norwegens. Er liebt den Winter: „Wir sind echte Outdoor-Menschen in Norwegen. Ich bin sicher, dass einige von uns Norwegen nicht verlassen, weil sie das Langlaufen in den Bergen vermissen würden. Es gibt hier noch Natur, und man kann mit ihr auskommen.“ Eine Studie in der Stadt Trømso hat tatsächlich ergeben, dass der negative Einfluss von Winter auf psychische Störungen hier mehr Mythos als Tatsache ist.[1]

Natur hat durchaus ihren Sinn. Wann sollte man sich dessen bewusster sein als in Gesellschaft der fauchenden Vulkane und blubbernden Quellen Islands? An statt sich wegen es Wetters zu grämen hüpfen die Inselbewohner lieber in ihre heißen Quellen: „Selbst wenn es stürmt, kannst du in diesen warmen Becken sitzen und dich massieren lassen. Das ist wirklich schön …“ so Dóra Gudmundsdottir, die isländische Glücksforscherin, die mir im selben Atemzug erzählt, dass Winterdepressionen auf der kleinen arktischen Insel so gut wie gar nicht vorkommen. Das Geheimnis ist die Bewegung im Licht der Natur. Dazu rät auch die Wissenschaft, denn wer seine Nase lieber ein Stunde in eine der Tageslichtlampen steckt, anstatt eine Stunden durch den dämmrigen Nieselregen zu marschieren, der setzt eventuell aufs falsche Pferd. Laut einiger kritischer Studien[2]konnte die Wirkung dieser Therapieform nicht überzeugend bewiesen werden. Ein wolkenverhangener Himmel produziert immer noch mehr Helligkeit als jede noch so LUX-starke Lampe am Frühstückstisch.

 

Rein in die Geselligkeit!

Aber die isländische Glücksforscherin ist noch nicht fertig mit ihrem Tipp: „Wir nutzen das, was wir hier haben, zum Beispiel die Dunkelheit im Winter. Dann zünden wir zu Hause Kerzen an und machen es uns mit Menschen, die wir mögen, gemütlich.“ Da stimmt die 70-jährige Maria Edwards, gebürtige Engländerin, zu. Sie wohnt im kleinen Ort 350 Kilometer vom Polarkreis entfernt. „Hier sind die Winter hart, aber daran sind wir gewöhnt. Wenn es dunkel ist, ist es das Wichtigste, dass man mit lieben Menschen zusammen ist. Dann bedeutet die Dunkelheit gar nichts!“ Wo auch immer sie sich treffen. Die circa fünf Millionen Finnen tun dies am liebsten in einer ihrer geschätzt zwei Millionen Saunen.

 

Ihre Entscheidung

„Viele Menschen denken, dass Finnland im Winter ziemlich depressiv sein kann, denn es ist wirklich dunkel und du siehst kaum die Sonne. Aber besonders, wenn du Kinder hast, kannst du den Schnee genießen, Ski fahren, all diese Winteraktivitäten unternehmen. Jeder muss persönlich entscheiden, ob er glücklich ist oder nicht.“, findet die blonde Mutter von zwei Kindern, die ich in Helsinki dazu befrage.

 

Was gegen den schummrigen Winterblues hilft ist der Reichtum an Dingen, die man nicht kaufen kann: Bewegung in der Natur und Geselligkeit. Also raus mit Ihnen in das schlechte Wetter und die Kälte. Freunde treffen, Schlittenfahren, Nordic Walking oder lange Spaziergänge am Morgen. Auch wenn diese Aktivitäten uns regelmäßig aus unserer gemütlichen Wohnungen werfen. Wer die Tricks kennt, sollte sie nutzen.

 

[1] Johnsen et al.: Is there a negative impact of winter on mental distress and sleeping problems in the sub-arctic? Findings from the cross-sectional population Troms? Study. BMC Psychiatry 2012 12:225.)

[2] J Affect Disord. 2015 Aug 15;182:1-7. doi: 10.1016/j.jad.2015.04.013. Epub 2015 Apr 11. Bright white light therapy in depression: A critical review of the evidence. Mårtensson B1, Pettersson A2, Berglund L3, Ekselius L4.

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