Macht Geld glücklich?

Viele Menschen werden gerade in diesen Tagen von Sorgen geplagt. Werden wir die Raten noch bezahlen können? Ist das Ersparte bald nichts mehr wert? Wie kann ich noch über die Runden kommen? Werde ich bald in der Kälte sitzen? Wer kann solche Sorgen nicht nachvollziehen?

Für Geldsorgen hat auch eine Glücksforscherin kein Patentrezept. Wie wir aber unsere Zukunftsängste lindern können und trotzdem glücklich sein können, das erfahrt ihr hier.

Doch zuerst die Frage, die mir in kurzer Zeit von gleich zwei Radiosendern gestellt wurde: Macht Geld glücklich?

Nun, es ist kompliziert!

  • Geld kann zufriedener machen, auf das Glück haben jedoch andere Faktoren einen erheblich stärkeren Einfluss.

  • Beziehungen haben einen 5-mal stärkeren Einfluss auf das Glücksempfinden als Einkommen.

  • Wenn das Geld knapp wird, helfen Beziehungen und aktives Handeln Ängste zu lindern und sich trotzdem glücklich zu fühlen.

Verzwickt, die Sache mit dem Geld!

Das wusste schon Pippi Langstrumpf, die sich mit all ihren Goldmünzen keinen Rat wusste. Außer sie zu verschenken. Ein guter Ansatz. Denn andere zu beglücken, macht uns selbst auch glücklich. Also weg mit den lästigen Scheinen!

So einfach ist es leider nicht. Denn Geld macht nicht nur andere, sondern auch uns selbst zumindest zufriedener. Einfach, weil es uns objektiv mehr Freiheit und mehr Optionen bietet, unser Leben zu gestalten.

Doch wir sind nicht allein auf dem Planeten.

Hätte Pippi jemals ihre Freunde oder ihre Freiheit gegen Geld getauscht?

Hätte Pippi jemals ihre Freunde oder ihre Freiheit gegen Geld getauscht?

Glücklos verglichen!

Wir sind Menschen unter Menschen und Herdentiere. Wir benötigen immer eine Referenzgruppe, der wir uns zugehörig fühlen. Das ist ein heimeliges Gefühl, aber auch ein heimliches. Denn wir schielen automatisch auf das Auto der Nachbarn und die Markenschuhe der Kollegen. Und wir würden einfach zu gerne wissen, was Frau Schmitt verdient. Nur so. Völlig ohne Hintergedanken.

Geld, Einkommen und Eigentum eignen sich als konkrete Maßeinheiten sehr gut für den Vergleich. Und deshalb fixieren wir uns gerne darauf. Es ist aber viel schwieriger einzuschätzen, ob andere Menschen glücklicher sind als wir, bessere Freunde haben oder sich als freier empfinden, als wir.

Zum Glück! Denn damit bleiben „weiche Parabeln“ höchst individuell und sind schwieriger neidvoll zu betrachten. Je weniger wir in Versuchung kommen, auf andere zu schielen, desto besser.

Wer vergleicht, hat schlechte Karten!

Es ist der Klassiker. Wir sind glücklich mit 100,- EUR mehr Gehalt auf dem Konto. 100! Bis wir hören, dass alle andern eine Gehaltserhöhung von 200,- EUR erhalten haben. Da macht sogar Geld stinkig.

Es ist also für das eigene Glück wichtig, den Kontext zu wählen, in dem wir uns betrachten. Was glückliche Menschen wirklich gut draufhaben, ist, sich minimal zu vergleichen. Und wenn überhaupt, dann auf die zu schauen, die weniger haben als sie selbst.

Hier kommt dann die Kraft der Dankbarkeit ins Spiel.

Stopp! Nur den nächsten Satz lesen.

Bitte mal an drei Dinge denken, für die Sie heute, jetzt dankbar sein können – tief einatmen, ausatmen, lächeln!

Wir über Ihr – das Zaubermittel gegen Neid

Lebt ihr in einer Gesellschaft, in der Höher-weiter-mehr-Werte ausgeprägt sind und in der Konkurrenz schon in der Schule im Fokus steht? Dann wurde euer Reflex zu vergleichen speziell gefördert.

Der Soziologe Geert Hofstede bezeichnete solche wettbewerbsorientierten Gesellschaften als „maskulin“. In Deutschland, Österreich, aber auch in den USA sind diese Werte besonders ausgeprägt. Sie haben nichts mit dem Geschlecht zu tun, sondern mit der Definition von Erfolg. In diesem Falle also besser zu sein als andere.

Unvergleichlich glücklich ohne Geld!

In den sogenannten femininen Gefilden, wie z. B. den skandinavischen Ländern und den Niederlanden ist der Wettbewerb innerhalb einer Gruppe weniger wichtig. Hier wird bereits im Kindergarten der Fokus auf das soziale Miteinander und die Entwicklung als vollständige Person gelegt. Als Erfolg wird in diesen Ländern gewertet, wenn alle Menschen das tun können, was sie lieben. Fürsorge, Anteilnahme und Zeit zum Durchatmen stehen im Vordergrund.

Warum sollten wir danach streben, der oder die Beste zu sein, wenn wir zusammen noch viel besser sein können?

Schluss mit vergleichen! Nur wie?

Indem ich mich auf Sachen konzentriere, die einen stärkeren Einfluss auf das Glücksempfinden haben. Und das sind nicht die Dinge, die andere allein besitzen, sondern die, die wir nur gemeinsam mit anderen erschaffen können!

Gute Beziehungen haben einen 5-mal größeren Einfluss auf das Glücksempfinden, als es Einkommen hat, so erklärte mir Alex Michalos bei meiner Recherche zum Buch „Wo gehts denn hier zum Glück?„.

Gedanken aus Costa Rica

»Den Wert von Beziehungen haben einige Gesellschaften aus den Augen verloren«, spricht Mariano eindringlich weiter. »Die Leute arbeiten zu viel. Sie stressen sich, um immer besser und schneller zu werden. Das Bruttosozialprodukt steigt, die Gewinne auch, aber es geht auf Kosten der zwischenmenschlichen Beziehungen und befriedigender persönlicher Aktivitäten.«

Wir produzieren, konsumieren und sammeln alles mögliche Zeugs um uns herum an, das wir gar nicht bräuchten, wenn wir in sinnvollen Beziehungen leben würden. Weil Menschen die Beziehung zueinander verloren haben, bekommt Materielles einen größeren Wert.

Nachhaltig ist das nicht

(…) »Es zählt nicht mehr der Mensch in seinem Wesen, der vor mir steht, sondern das, was ich an der Außenseite von ihm sehe. Und deshalb ist es wichtig, welche Kleidung du trägst und von welcher Marke sie ist. Hierdurch erwirbst du deinen Status. In Gesellschaften hingegen, in denen zwischenmenschliche Beziehungen stark sind, wie in Lateinamerika, gewinnst du an Ansehen, indem du etwas Gutes für andere Menschen tust.« (Prof. Mariano Rojas)

Auszug aus van den Boom, Maike. Wo gehts denn hier zum Glück? Fischer E-Books.

Glück kostet kein Geld

Und wenn wir auf die Arbeitswelt lugen, dann sehen wir einen ähnlichen Effekt. Bruno Frey, Wirtschaftswissenschaftler und Pionier auf dem Gebiet der Glücksökonomie, hat dazu eine interessantes Rechenexempel erstellt:  Arbeitslosengeld müsste etwa 350 % des alten Einkommens betragen, um das gleiche Zufriedenheitsniveau zu garantieren, welches Menschen durch erfüllende soziale Kontakte im Beruf erfahren.

Ein Job ist viel mehr als nur Garant für ein „gutes“ Einkommen. Erfüllendes Teamwork, soziale Kontakte, bedeutungsvolle Aufgaben sind buchstäblich mehr wert als Boni und Gehaltserhöhungen.

(Und zudem viel nachhaltiger, denn das meiste, was wir kaufen können, wurde vorher für uns hergestellt. Gedanken aus den lateinamerikanischen Glücksländern findet ihr im  Kästchen oben)

Setzt also lieber auf gute Beziehungen und reduziert den Wert, den ihr Materiellem beimesst.

In der Mitte liegt das Glück

Dann nähern wir uns auch dem „Lagom“-Gefühl der ehemaligen Wikinger. Lagom bedeutet: nicht zu viel, nicht zu wenig, gerade richtig. Nicht zu viel Glanz, nicht zu viel Drama, nicht zu viel Selbstdarstellung und auch nicht das große Geld. Damit für alle genug übrig bleibt.

Worauf es ankommt, ist ein Wohlbefinden in der Gemeinschaft, wie es das Wort „hygge“ der Dänen ausdrückt. Im Miteinander liegt das Glück, die Sicherheit und auch die Gesundheit. Gute soziale Kontakte und das Gefühl der Zugehörigkeit reduzieren das Sterblichkeitsrisiko um 50 Prozent.* Ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis schützt bei Katastrophen mehr als das Klopapier im Keller.

Menschen am Tisch

Macht es euch gemütlich

Also macht es euch gemütlich in der Gemeinschaft mit anderen und euch selbst. Lagom eignet sich prima zum Downgraden.

Es bestimmt, was wir vom Leben erwarten. In Bezug auf das Geld gibt es nämlich noch eine Hürde zu meistern. Wir vergleichen uns nämlich nicht nur mit anderen, sondern auch mit uns selbst: unserem idealen Leben, dem idealen ich, dem, was wir denken, verdient zu haben.

Diese Erwartungen herunterzuschrauben und dankbar sein für das, was wir haben, erspart euch einiges Gestrampel. Denn auch die Erwartungen an unser Leben sind dynamisch. Wir passen sie an die Umstände an. An das Positive sowie das Negative.

Sobald wir ein z.B. neues Auto gekauft haben, schweben wir im siebten Himmel. Blöd nur, dass unser Gehirn gerne mitdenkt. Es hat verstanden: Das, was uns glücklich machte, weil es etwas Besonderes war, ist jetzt der neue Normalzustand. Und warum sollten wir uns erfreuen an etwas, das alltäglich ist? Die Glücksforschung nennt das die hedonistische Tretmühle. Weil wir immer einen draufsetzen müssen, um die Lücke zwischen großartig und selbstverständlich zu überwinden. Immer mehr haben führt zu immer mehr wollen.

Weniger ist mehr

Die gute Nachricht: Wir arrangieren uns im Umkehrschluss damit, dass wir uns weniger werden leisten können. Die neue Benchmark kann auch weniger sein.

Gerade jetzt haben wir deshalb die Chance, endlich mal zu reduzieren. Etwas, was vielen von uns bisher im Alltag schwergefallen sein mag. Doch es zeigt sich, dass wir es können: Wir können als Gesellschaft Energie sparen, weniger tanken und in kälteren Wohnungen Handschuhe :-) tragen. Wir können uns selbst zurücknehmen, ohne kreuzunglücklich zu werden.

Mit weniger Geld haben wir vielleicht weniger objektive Freiheit, dafür steigt aber die subjektive Freiheit. Und die ist nicht käuflich! Es ist das Gefühl innerhalb der eignen Begrenzungen trotzdem etwas beeinflussen zu können. Wir werden kreativ und erleben Neues. Subjektiv erfahrene Freiheit ist das Glücks-Pendant zu Gemeinsinn. (Dazu im nächsten Beitrag mehr.)

Handschuhe am Laptop

Also, wenn das Geld noch für das Notwendige reicht, heißt es loslassen und den Fokus auf das richten, was viel mehr Kraft gibt! Konzentriert euch auf bereichernde Beziehungen, Freundschaften, nette Kollegen und gute Gespräche. Findet in der Begrenzung eure kreative Freiheit.

Mit menschlicher Wärme steigt zwar nicht die Wohungstemperatur, das Glück hingegen allemal.

*Studien könnt ihr gerne per Mail bei mir abfragen.